Gesundheit

Hospital building picture

Im Sektor Gesundheit versorgen KRITIS-Betreiber und Einrichtungen die Allgemeinheit mit vier kritischen Dienst­leistungen – der stationären medizinischen Versorgung, der Versorgung mit lebenserhaltenden Medizinprodukten, der Versorgung mit Arzneien und Blut/Plasma sowie der Diagnostik in medizinischen Laboren. Diese Dienstleistungen müssen mit Cybersecurity-Pflichten nach NIS2 und KRITIS geschützt werden.

KRITIS-Betreiber erbringen diese kritischen Dienstleistungen in eigenen Anlagen, und werden KRITIS, wenn sie dabei Schwellenwerte überschreiten. Der Sektor erweitert sich mit NIS2 ab 2025 um viele neue Einrichtungen, die als Unternehmen reguliert werden, wenn sie Umsatz und Mitarbeiterzahlen überschreiten.

Nr. Unternehmen Scope
   Betreiber kritischer Anlagen Anlage über Schwellenwert (KRITIS)
KRITIS-Sektordefinition Gesundheit:
   Besonders wichtige Einrichtung Unternehmen (NIS2)
  • ≥250 Mitarbeiter oder
  • >50 Mio. EUR Umsatz und >43 Mio. EUR Bilanz
   Wichtige Einrichtung Unternehmen (NIS2)
  • ≥50 Mitarbeiter oder
  • >10 Mio. EUR Umsatz und >10 Mio. EUR Bilanz
NIS2-Sektordefinition Gesundheit:
  • Gesundheit: Gesundheitsdienstleistungen, EU-Referenzlaboratorien, F&E Arzneimittel, Herstellung Pharmazeutika sowie Medizinprodukten

Regulierte Pflichten

NIS2 und KRITIS

Mit der NIS2-Umsetzung und dem KRITIS-Dachgesetz erweitert sich die deutsche Regulierung. Die Gesetze werden wohl etwas verspätet 2025 in Kraft treten. Für Betreiber kritischer Anlagen, ehemals KRITIS, und die neuen Einrichtungen kommen viele neue Pflichten hinzu, die über die bisherige Regulierung des IT-Sicherheitsgesetz 2.0 hinausgehen.

eigene Zusammenstellung aus NIS2-Regierungsentwurf Oktober 2024
Thema Betreiber kritischer Anlagen (KRITIS) Einrichtungen
Gesetz NIS2-Umsetzung KRITIS-Dachgesetz NIS2-Umsetzung
Fristen ab 2025 ab 2026 ab 2025
Scope Kritische Anlage Kritische Anlage Unternehmen
Pflichten Registrierung
Vorfallsmeldungen
Sanktionen
Prüfungen
Registrierung
Vorfallsmeldungen
Sanktionen
Registrierung
Vorfallsmeldungen
Sanktionen
Maßnahmen Informationssicherheit
BCM und Krisen
Supply Chain
Risikomanagement
IT-Sicherheit
Angriffserkennung SzA
Personal

Resilienz

Risikomanagement
Physische Sicherheit

Personal
Informationssicherheit
BCM und Krisen
Supply Chain
Risikomanagement
IT-Sicherheit

Personal
Nachweise Prüfungen Teil von Audits Stichproben
Regulator BSI BBK BSI

Die Gesetze sind noch in Arbeit, Anpassungen an Pflichten und Maßnahmen sind möglich.

up

KRITIS

Kritische Anlagen

Die folgenden KRITIS-Anlagen sind im Sektor Gesundheit in der KRITIS-Verordnung definiert. Betreiben Unternehmen diese kritische Anlagen und überschreiten dabei Schwellenwerte, werden sie zu KRITIS-Betreibern mit vielen regulierten Pflichten.

aus BSI-KritisV August 2021, Anhang 5
Nr. Anlage Beschreibung Schwellenwert
1.
Stationäre medizinische Versorgung (Dienstleistung)
1.1 Krankenhaus nach §108 SGB 5 30 Tsd./Jahrvollstationäre Fallzahl
2.
Versorgung mit lebenserhaltenden Medizinprodukten (Dienstleistung)
2.1.1 Produktionsstätte von Medizinprodukten für Beatmung/Tracheostomie, parenterale Ernährung, enterale Ernährung, ableitende Inkontinenz und Diabetes Typ 1 90,68 Mio. EUR/JahrUmsatz
2.2.1 Abgabestelle von Medizinprodukten für Beatmung/Tracheostomie, parenterale Ernährung, enterale Ernährung, ableitende Inkontinenz und Diabetes Typ 1 90,68 Mio. EUR/JahrUmsatz
3.
Versorgung mit Arzneien und Blut/Plasma (Dienstleistung)
3.1.1 Produktionsstätte mit Herstellungserlaubnis nach §13 AMG, für Hilfsstoffe, -materialien, Wirkstoffe zu verschreibungs­pflichtigen Arznei­mitteln zur Anwendung im oder am menschlichen Körper nach §48 AMG 4,65 Mio/Jahrin Verkehr gebrachte Packungen
3.1.2 Blut- oder Plasma­spendensteuerung zentrales IT-System zur Steuerung und Verwaltung von Blutspende-Einrichtungen oder Herstellungs-Einheiten 34 Tsd./Jahrhergestellte oder in Verkehr gebrachte Produkte
3.2.1 Betriebs- und Lagerraum zur kurzzeitigen Lagerung verschreibungs­pflichtiger Arzneimittel, Blutspenden, Blut- und Plasma­derivate; sowie zur Weiter­verarbeitung oder Aufbereitung von Blut/Plasma zur Anwendung im/am menschlichen Körper 4,65 Mio/Jahrumgeschlagene Packungen
3.2.2 Vertrieb verschreibungs­pflichtiger Arzneimitteln zentrales Logistik­management­system für Vertrieb, Disposition verschreibungs­pflichtiger Arznei­mitteln zur Anwendung im/am menschlichen Körper. 4,65 Mio/Jahrtransportierte Packungen
3.3.1 Apotheke zur Bereitstellung von verschreibungs­pflichtigen Arzneimitteln für Patienten im Sinne des ersten Abschnitts ApoG 4,65 Mio/Jahrabgegebene Packungen
4.
Laboratoriumsdiagnostik (Dienstleistung)
4.1 Labor für medizinische labor­diagnostische Verfahren für Diagnose und Therapie­kontrolle in der Humanmedizin und fachärztliche Befundung 1,5 Mio/JahrAufträge
4.2 Laborinformationsverbund Verbund von Anlagen, Systemen für IT-Dienstleistungen für Labore, insb. Steuerung Proben­transport, Auftragseingang, Befund­übermittlung, Labor­informationssystem (LIS) 1,5 Mio/JahrKumulierte Aufträge im Verbund

up

Schwellenwerte

Die Schwellenwerte von KRITIS-Anlagen sind pro Sektor in der KRITIS-Verordnung definiert.

Stationäre medizinische Versorgung

Der Schwellenwert für Krankenhäuser (1.1) ist die vollstationäre Fallzahl:

Medizinprodukte

Der Schwellenwert für die Produktion und Abgabe (2.1.1 und 2.2.1) berechnet sich aus der angenommenen durchschnittlichen Ausgabe von 181,36 EUR Medizinprodukte pro Person pro Jahr für 500.000 versorgte Personen:

Arzneien und Blut/Plasma

Der Schwellenwert für die Produktion, Weiterverarbeitung, Lagerung, Vertrieb und Apotheken (3.1.1 bis 3.3.1) berechnet sich aus dem angenommenen Durchschnittsverbrauch von 9,3 Packungen verschreibungspflichtiger Arzneimitteln und 0,068 Einheiten hergestellten Erythrozyten-Konzentrats, Thrombozyten-Konzentrats und Plasmas zur Transfusion pro Person pro Jahr für 500.000 versorgte Personen:

Labormedizin

Der Schwellenwert für den Transport, Kommunikation und Labore (4.1 bis 4.2) berechnet sich aus durchschnittlich angenommenen drei labormedizinischen Untersuchungen pro Person pro Jahr für 500.000 versorgte Personen:

Fristen

Betreiber müssen das Überschreiten von Schwellenwerten in einem Jahr bis zum 31. März des Folgejahrs ermitteln und die Anlage zum 1. April als Kritische Infrastruktur registrieren.

up

NIS2

Einrichtungen

Mit NIS2 sind viele Unternehmen als Einrichtungen betroffen, die im NIS2-Umsetzungsgesetz im Anhang separat definiert sind. Betroffen sind jeweils ganze Unternehmen: Großunternehmen als besonders wichtige Einrichtung, mittlere Unternehmen als wichtige Einrichtung.

aus NIS2-Umsetzungsgesetz, Entwurf Mai 2024
^ - gemeint sind immer ganze Unternehmen
Nr. Teilsektor Einrichtungsart^ Besonderheit
Gesundheit (Sektor, Anlage 1)
4.1.1 Erbringer Gesundheitsdienstleistungen im Sinne der Richtlinie (EU) 2011/24
4.1.2 EU-Referenzlaboratorien im Sinne Art. 15 (EU) 2022/2371
4.1.3 Forschungs- und Entwicklungs­tätigkeiten in Bezug auf Arzneimittel im Sinne §2 AMG
4.1.4 Herstellung pharmazeutische Erzeugnisse (NACE C 21)
  • 21.1: Pharmazeutische Grundstoffe
    Antibiotika, Vitamine, Acetylsalicyl­säure, Verarbeitung von Blut, chemisch reiner Zucker u.v.m.
  • 21.2: Pharmazeutische Spezialitäten und sonstige pharmazeutische Erzeugnisse
    Antisera und Blutbestandteile, Impfstoffe, Arzneiwaren, Watte, Gaze, Verbandszeug u.v.m.
4.1.5 Herstellung von Medizinprodukten Medizinprodukte für Notlagen kritisch im Sinne Art. 22 (EU) 2022/123
Liste kritischer Medizinprodukte für Notlagen im Bereich der öffent­lichen Gesundheit

up

Regulierung und Standards

Gesetze im Gesundheitssektor

Für Betreiber von Krankenhäusern bestehen neben KRITIS und NIS2 weitere Vorgaben, die die IT-Sicherheit regeln.

Gesetz zur Beschleunigung der Digitalisierung des Gesundheitswesens (DigiG)

Folgt

SGB V

Der bisher gültige §75c zur IT-Sicherheit in Krankenh¨sern wurden durch das DigiG in §391 SGB V verschoben.

§391 "IT-Sicherheit in Krankenhäusern": gilt für Krankenhäuser aller Größen – unabhängig davon, ob das Krankenhaus als KRITIS gilt. Der Paragraf verpflichtet Krankenhäuser, nach dem Stand der Technik angemessene organisatorische und technische Vorkehrungen zur Vermeidung von Störungen der Verfügbarkeit, Integrität und Vertraulichkeit ihrer informationstechnischen Systeme, Komponenten oder Prozesse zu treffen, die für die Funktionsfähigkeit des jeweiligen Krankenhauses und den Schutzbedarf der verarbeiteten Patienteninformationen maßgeblich sind. Im Fokus liegen auch Maßnahmen zur Steigerung der Security-Awareness.

KHZG

Durch das Krankenhaus­zukunftsgesetz wird seit Ende 2021 das Zukunftsprogramm Krankenhäuser vom Bund umgesetzt, mit dem durch den Krankenhaus­zukunftsfonds (KHZF) Investitionen von Krankenhäusern in Digitalisierung gefördert werden. Die Förderung betrifft unter anderem Cyber Security in Krankenhäusern in folgenden Themenfeldern:

  1. Krankenhäuser, die Kritische Infrastrukturen nach der KritisV sind:
  2. Krankenhäuser, die nicht KRITIS sind:
    • Prävention: Sicherheits­management (ISMS), VPN, NAC, Firewalls, Zonierung, IPS etc.
    • Detektion: SOC, SIEM, Logging, IDS, Malware-Schutz etc.
    • Mitigation: Backup, lokaler Malware-Schutz etc.
    • Awareness: Kampagnen, Risikoanalysen, Schulungen etc.
    • Nach §19 (1) 10 KHSFV und Fördertatbestand 10 in der Förder­richtlinie nach §21 Abs. 2 KHSFV.

Branchenstandards

Eine Auswahl weiterer KRITIS-relevanter Security Standards im Sektor.

B3S

Industrienormen

up

Weitere Informationen

Literatur

  1. CSIRT Capabilities in Healthcare Sector, European Union Agency for Cybersecurity, November 2021
  2. ENISA-Studie Cloud Security for Healthcare Services, European Union Agency for Cybersecurity, Januar 2021
  3. ENISA-Procurement Guidelines for Cybersecurity in Hospitals, European Union Agency for Cybersecurity, Februar 2020
  4. Krankenhaus­zukunftsgesetz für die Digitalisierung von Krankenhäusern, Bundesministerium für Gesundheit, 7.12.2020
  5. Gesetz zur Beschleunigung der Digitalisierung des Gesundheitswesens, Effiziente Versorgung im Gesundheitswesen, Bundesministerium für Gesundheit, 14.12.2023
  6. Richtlinie zur Förderung von Vorhaben zur Digitalisierung der Prozesse und Strukturen, Bundesamt für soziale Sicherung, 03.05.2021

Quellen

  1. BSI-Kritisverordnung, vom 22. April 2016 (BGBl. I S. 958), die zuletzt durch Artikel 1 der Verordnung vom 6. September 2021 (BGBl. I S. 4163) geändert worden ist
  2. Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung (Artikel 1 des Gesetzes vom 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477, 2482), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 23. Oktober 2020 (BGBl. I S. 2220) geändert worden ist
  3. Gesetz über den Verkehr mit Arzneimitteln (Arzneimittelgesetz - AMG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. Dezember 2005 (BGBl. I S. 3394), das zuletzt durch Artikel 2 Absatz 1 des Gesetzes vom 25. Juni 2020 (BGBl. I S. 1474) geändert worden ist
  4. Gesetz über das Apothekenwesen (Apothekengesetz - ApoG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. Oktober 1980 (BGBl. I S. 1993), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 14. Oktober 2020 (BGBl. I S. 2115) geändert worden ist
  5. Gesetz zur Beschleunigung der Digitalisierung des Gesundheitswesens (Digital-Gesetz — DigiG) vom 22. März 2024